Die Heilig-Blut-Reliquie

Das Weingartener Heilig-Blut-Reliquiar von 1956

Das heutige Gefäß wurde zur 900-Jahrfeier der Klostergründung von dem Münchener Goldschmied Wilm angefertigt. Es orientiert sich in Form und Schmuck locker am ursprünglichen Reliquiar Abt Bertholds (1200-1232) und besteht aus 14-karätigem Gold. Vorder- und Rückseite sind u.a. mit je 35 großen Brillanten sowie mit 4 großen Rubinen bzw. 4 großen Smaragden besetzt. Der obere Kruzifix ist in Zellenschmelzemaille gefertigt; der Handgriff trägt den Weinstock auf einem Dreiberg, das Wappen der Abtei.

Quelle: Festschrift 20 Jahre Städtepartnerschaft 1998-2018 Mantua-Weingarten

© Kiechle

Was ist eigentlich eine Reliquie?

Eine Reliquie wie die Heilig-Blut-Reliquie ist ein Gegenstand kultischer religiöser Verehrung. Reliquie kommt von lateinisch reliquiae, „Zurückgelassenes“, „Überbleibsel“. Oft stellt sie einen irdischen Überrest eines Körperteils eines Heiligen dar – in diesem Fall verehren wir in der Basilika Blutstropfen vom Leichnam Jesu, vermischt mit der Erde von Golgota.

Kleine Kirchenkunde - Symbolik des Reliquiars

Allgemein ist ein Reliquiar das Behältnis der Reliquie und dementsprechend kostbar mit den edelsten Materialien geschmückt und gestaltet, weshalb es häufig auch weltliche Begehrlichkeiten weckte. Die heutige Fassung aus dem Jahr 1956 kommt dem mittelalterlichen Reliquiar gestalterisch recht nahe – das im Zuge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts an den Württembergischen Königshof ging. Die äußeren Gestaltungsmerkmale verweisen in der Formen- und Materialsprache auf den symbolischen Bedeutungsgehalt der Reliquie.

 

Wenn Sie den Mauszeiger über die roten Infopunkte bewegen, erhalten Sie weitere Informationen.

Diamanten: Das Reliquiar ist reich im inneren Bogen um den Bergkristall und vor allem an den vier Rubinen mit Diamanten verziert. Jeder Rubin wird von acht Diamenten, vier kleinen und vier größeren, umrahmt. Der Diamant als König der Edelsteine gilt als rein und unbezwingbar (härtester Stein), er steht für Reinheit, Kraft und Ewigkeit. Die Zahl Acht symbolisiert das Gleichgewicht und die Glückseligkeit. Als achter Schöpfungstag ist sie auch ein Symbol der Auferstehung Christi und des Neubeginns. Das Blut Christi, wie es uns in der Heilig-Blut-Reliquie erscheint, wurde also nicht umsonst vergossen.

Mitte: Der hufeisenförmig geformte Bergkristall enthält das kostbare Innere, die Reliquie selbst. Blut und Erde sind in ein 35 mm langes und zwei mm breites Stäbchen gehüllt. Darunter die lateinische Inschrift „Sanguis Jesu Christ“, das Blut von Jesu Christ. Der Bergkristall steht für Klarheit, Transparenz und Weisheit - er verbirgt nichts. Trotz seiner Durchlässigkeit ist er hart und widerstandsfähig, schützt den kostbaren Inhalt. Der Bergkristall ist ein fast mystischer Stein, den man häufig als „Licht, das in einem Fels leuchtet“, beschreibt.

Unterer Teil als Handgriff: Ganz unten am Reliquiar – oder wenn man so will als das erdverbundene Element – wird weltlich Bezug genommen auf die Stadt Weingarten, dargestellt in einem hufeisenförmigen Halbrund mit den Trauben für das Kloster „Weingarten“ auf den drei Bergen stehend. Daran befestigt ist eine Kette mit drei Ringen, die beim Blutritt über die Finger gestreift werden, damit das kostbare Reliquiar dem Heilig-Blut-Reiter nicht verloren geht.

Smaragde: Hier auf der Vorderseite des Reliquiars nicht sichtbar, finden sich auf der Rückseite anstelle der Rubine vier grüne Smaragde. Der Smaragd steht seit jeher für Schönheit, Harmonie und Gerechtigkeit. Er ist ein wichtiger Heilstein, der besonders positiv auf die Psyche und das seelische Gleichgewicht wirken soll – und vor allem Augen zu neuer Klarheit verhelfen soll. Sinnbildlich auch uns Christen immer wieder neu die Augen für die Liebe Gottes öffnen will.

Fünfrahmiger Aufbau: Die Reliquie mit dem Bergkristall ist in einen fünffachen Rahmen eingebettet. Die Zahl Fünf steht im Christentum für die fünf Wunden Jesu – die Wundmale an den Händen, Füßen und in der Seite. Das Reliquiar selbst besteht aus massivem 14-karätigem Gold. Dies ist von altersher das Material der Herrscher und Könige, im theologischen Gebrauch steht das Edelmetall für die göttliche Gerechtigkeit.

Oberes Kreuz: Das Reliquiar hat die Form eines Doppelkreuzes. Die Zahl Zwei steht für die Vereinigung der Gegensätze, nämlich Himmel und Erde/Tag und Nacht. In das obere kleine Kreuz ist der gekreuzigte Corpus Christi in Schmuckemaille eingelassen. Emaillieren ist ein Schmelzvorgang, bei dem verschiedene Stoffe miteinander verschmelzen – so wie in der Gestalt Jesu das göttliche im menschlichen Sein aufgeht. Aus der rechten Seite Jesu ergießt sich ein Strom des Heiligen Blutes und verweist auf den Zweck des Reliquiars.

Rote Rubine: Rubine gelten als die wertvollsten Edelsteine überhaupt. Sie sollen die Kraft aller anderen Edelsteine in sich vereinen. Die vier großen Rubine sind an den vier Himmelsrichtungen platziert und stehen für die universelle Gültigkeit der christlichen Botschaft. Rubin kommt von lateinisch „rubeus“ und bedeutet rot. Die rote Farbe steht für das Blut, das für uns vergossen wurde und für das Leben schlechthin, für Liebe und Glück.

Saphire: Die kleineren Saphire grenzen die vier roten Rubine ein. Der Name dieses Edelsteins leitet sich aus dem griechischen „sappheiros“ für „blau“ ab. Der Saphir ist der zweithärteste Stein nach dem Diamant und der wichtigste Heilstein, der vor allem die Nerven beruhigen soll. Die vierzehn Saphire stehen in der christlichen Zahlensymbolik für die Verdopplung der heiligen Sieben, die Zahl der Güte und Barmherzigkeit, daher zum Beispiel die Zahl der 14 Nothelfer.

© Derek Schuh