Blutfreitag Aktuell

Menschlichkeit für alle - Der Weingartener Blutfreitag setzt ein Zeichen für die christliche Botschaft von Frieden und Gemeinschaft

Weingarten. 1.841 Reiterinnen und Reiter zogen am Freitag, 30. Mai 2025 bei strahlendem Sonnenschein zu Ehren des Heiligen Blutes durch Weingarten und die umliegenden Fluren. In der Stadt begleiteten Hunderte Musikerinnen und Musiker die 96 Blutreitergruppen, und Tausende Gläubige, Besucherinnen und Besucher säumten die Straßen. Der diesjährige kirchliche Festgast, Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann aus Speyer, verfolgte den Blutritt vom Balkon des Rathauses aus, während der politische Ehrengast, der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel, selbst hoch zu Ross teilnahm. Als weiterer Ehrengast erlebte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Prozession ebenfalls vom Rathaus aus mit.

© Stadt Weingarten

Am Blutfreitagmorgen um 7 Uhr übergab Bischof Wiesemann die Heilig-Blut-Reliquie an Dekan und Pfarrer Ekkehard Schmid, der mit ihr vom Pferd aus Menschen, Tieren und der Natur den Segen spendete. Zeitgleich setzte sich am Fuße der Basilika Europas größte Reiterprozession in Bewegung. Bereits am Abend von Christi Himmelfahrt benannte der Speyerer Bischof in seiner Festpredigt die Menschlichkeit als einzig wirksames Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft, gegen das Erstarken von Autokraten, gegen den Machbarkeitswahn der Tech-Milliardäre sowie gegen Krieg und Gewalt, die so viele unschuldige Opfer fordern.

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Er bezog sich dabei auf die kürzlich verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer und ihre Botschaft: „Wir sind alle gleich. Seid Menschen.“ Das Christentum sei „eine ganz auf die Universalität der Menschlichkeit, der Urverbundenheit aller, angelegte Religion, auch wenn wir Christen in unserer Geschichte dagegen so häufig gesündigt haben“, betonte der Bischof und erteilte allen, die die Religion völkisch vereinnahmen wollen, eine klare Absage. Gott identifiziere sich im gekreuzigten Christus so sehr mit den verwundeten Menschen, dass er ohne diese Menschlichkeit nicht zu erkennen sei, erklärte Bischof Wiesemann weiter. „Der Reiter, der dieses Blut Christi in die Welt hinausträgt, wird zum Botschafter dieser so einfachen und deshalb ein Leben lang herausfordernden Botschaft: Mach es wie Gott, werde und bleibe Mensch“, schloss der Bischof seine Predigt. Im Anschluss zog er mit Tausenden Gläubigen in einer nächtlichen Lichterprozession durch die Stadt auf den Kreuzberg. Danach luden Impulse und Lieder in der Basilika die Pilgerinnen und Pilger dazu ein, das Gehörte nachklingen zu lassen.

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Auch in diesem Jahr waren zahlreiche prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Einladung der Stadtverwaltung gefolgt und verfolgten den Blutritt vom städtischen Rathausbalkon. Auch eine Delegation aus der italienischen Partnerstadt Mantua unter Bischof Dr. Marco Busca sowie eine Delegation aus der befreundeten polnischen Stadt Niepołomice waren eigens für die Feierlichkeiten angereist. 

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Sichtlich beeindruckt zeigte sich auch der diesjährige politische Ehrengast, der frisch gewählte Spitzenkandidat der CDU Baden-Württemberg für die Landtagswahl 2026, Manuel Hagel, beim anschließenden feierlichen Empfang in den Tagungsräumlichkeiten der Akademie. „Der Blutfreitag ist kein Fest, das man mal so einfach besucht“, so Hagel. „Der Blutfreitag ist ein Fest, das man spürt – mit jedem Hufschlag, mit jedem Schritt und mit jedem Gebet. Ein echtes Glaubenszeugnis, das lebendig ist.“ Hagel selbst hatte sich der Blutreitergruppe Kirchbierlingen-Ehingen angeschlossen und spürte den sechsstündigen Ritt auch in seinen Knochen. Sein ausdrücklicher Dank richtete er an alle Engagierten sowie an die Helferinnen und Helfer, die seit Wochen und Monaten vor und hinter den Kulissen die Feierlichkeiten so vorbildlich gestaltet haben.

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Die katholische Kirchengemeinde St. Martin als Veranstalter, die Stadt Weingarten als Betreiber sowie zahlreiche Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, THW, Deutschem Roten Kreuz, Festordnern, Tierärzten sowie ein privater Sicherheitsdienst sorgten erneut erfolgreich für die Sicherheit während der Feierlichkeiten. Erfreulicherweise kam es auch in diesem Jahr nur zu wenigen Zwischenfällen.

Markus Waggershauser, Regionalredakteur DRS

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© Ella Kiechle

Die Basilika feiert 300 Jahre

1724 wurde sie feierlich eingeweiht, als größte Barockkirche nördlich der Alpen. Sie sollte nicht nur die mittelalterliche Klosterkirche ersetzen. Dort war die Heilig-Blut-Reliquie, die 1094 über Umwege von Mantua nach Weingarten gekommen war, noch in einer Seitenkapelle untergebracht. Nun im Neubau sollte sie ganz ins Zentrum gerückt werden, bereits von weitem sichtbar durch die mächtige Kuppel und durch das leuchtende Schauzeichen der Heilig-Blut-Reliquie, welches die Fassade bekrönt. „Schlussstein ist Christus, durch den der ganze Bau zusammengehalten wird“ – heißt es beim Apostel Paulus. Ja, was verbindet und eint Menschen heute noch? Woraus speist sich Menschenwürde und Toleranz, Freiheit und Solidarität?

So prächtig die Basilika trotz Baustelle auch erscheinen mag, so sehr liegt ihr doch der Psalmvers zugrunde: „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ER ist zum Eckstein geworden.“ Die Basilika mit dem Blut Christi im Zentrum stellt also Christus am Kreuz ins Zentrum und zwar als den in den Augen vieler Verworfenen und Missachteten, dem aber doch Recht widerfuhr, Heil und Leben durch Gott. Und dies lässt hoffen.

Der Kontrast und die feine Ironie können also nicht größer sein als wenn man diese steinerne Glanzleistung des Barock ausgerechnet mit diesem Bibelvers betritt. Ja, Gott rückt uns in seinem Haus zurecht, indem er gerade den schwachen Menschen ins Zentrum rückt. Dafür steht diese Basilika seit 300 Jahren und dafür steht auch der jahrhundertealte Blutritt um sie herum.

Dekan Ekkehard Schmid

Angenehme Temperaturen und viele Gläubige aus aller Welt – all dies trug zu gelungenen und friedlichen Blutfreitagsfeierlichkeiten in diesem Jahr bei. Über 20.000 Besucher verfolgten die größte Reiterprozession Europas im oberschwäbischen Weingarten. Insgesamt 1.808 Wallfahrerinnen und Wallfahrer hoch zu Ross nahmen an der Reiterprozession teil.

Übergabe der Heilig-Blut-Reliquie am Kirchenportal

© Felix Kästle

Gegen 11.15 Uhr erreichte der Heilig-Blut-Reiter Dekan Ekkehard Schmid mit der Heilig-Blut-Reliquie wieder den Klosterhof der Basilika von Weingarten. Der Fuldaer Bischof Dr. Michael Gerber nahm dort in diesem Jahr als kirchlicher Ehrengast die Reliquie in Empfang, während die Kirchenglocken läuteten. Im Anschluss wurde in der Basilika das Pontifikalamt gefeiert. Der Blutritt selbst begann am Freitagmorgen um 7 Uhr mit der Übergabe der Heilig-Blut-Reliquie am Kirchenportal. Die feierliche Übergabe eröffnete die Reiterprozession, die in dieser Form und Größe einmalig in Europa ist. Knapp 100 Reitergruppen in Frack und Zylinder aus ganz Oberschwaben und darüber hinaus begleiteten den Heilig-Blut-Reiter auf seinem zehn Kilometer und drei Stunden langen Weg durch Stadt und Fluren. Die zahlreichen Musikkapellen marschierten im Stadtgebiet mit und scherten aus, bevor die Prozession in Richtung Ösch weiterzog. Über 20.000 Menschen und Pilger aus aller Welt säumten die Wege, um den Segen der Heilig-Blut-Reliquie zu empfangen.

Der Festgruß liegt wieder vor und kann im Pfarrbüro für 1,50 Euro erworben werden. Der diesjährige Festgast und Prediger ist Ivo Muser, Bischof von Bozen-Brixen.

BRAUCHTUM, GLAUBE UND FEST

Ein Beitrag von Markus Waggershauser aus der Online-Redaktion der Diözese Rottenburg-Stuttgart….

Markus Waggershauser ist Diplom-Theologe und war 15 Jahre Pastoralreferent im württembergischen Allgäu und in Göppingen. Durch seine journalistische Zusatzqualifikation bildete die Öffentlichkeitsarbeit jeweils einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. 2012 wechselte er zur Online-Redaktion der Diözese nach Rottenburg. An der 2019 eingerichteten Außenstelle in Weingarten berichtet er nun über kirchliche Ereignisse in der Region Bodensee – Allgäu – Oberschwaben.

Texte: Markus Waggershauser, Sabine Weisel