Kunst in der Basilika
Verbindung zwischen menschlicher Leistung und göttlichem Wirken
»Nur selten, nur beim Anblick von Stift Melk an der Donau, beim Erblicken der Stiftsanlagen von Ottobeuren und von Gottweig in der Wachau werden wir ähnlich ergriffen. Der Zug ins Sakrale ist hier in Weingarten vielleicht am stärksten.« (Schindler, 102). Das Gotteshaus gilt als größte Barockkirche nördlich der Alpen, als »Hauptwerk der Vorarlberger Bauschule« (Schnell, Klappentext) und als »eine der bedeutendsten deutschen Kirchenbauten zwischen Hoch- und Spätbarock« (Dehio, 829). Ihre Fassade bildet »den einzigen Ort in Süddeutschland, an dem man spüren kann, was in der Architektur Monumentalität ist« (Schütz, 159).
Ihr Innenraum gleicht einer »Via triumphalis für das Heilige Blut, geschlagen aus mächtigen Triumphbogen« (Schahl, 87). Hier hat Cosmas Damian Asam »ganz entscheidend auf die nachfolgende Freskomalerei in Süddeutschland gewirkt« (Trottmann, 70). Ja, »zum ersten Mal in der süddeutschen Kunst übersteigt Deckenmalerei die Dimension von Ausstattung. Die Anlage des gewaltigen Innenraumes komplettiert sich erst mit den großen Fresken. Architektur und Deckenbild ergeben zusammen eine neue Qualität des Raumes.« (Rupprecht, 22).
Mit dem Bau der Westorgel schuf Joseph Gabler sein Meisterwerk und zugleich eines der großen Meisterwerke barocken Orgelbaus in Deutschland. Als Grablege der Welfen gestiftet, erinnert Kirche und Kloster an jenes Adelsgeschlecht, das zu den mächtigsten im Mittelalter zählte. Die Erhebung des barocken Münsters zur »Basilica minor« durch Papst Plus XII. 1956 betont schließlich die hohe religiöse Bedeutung dieses Ortes, an dem seit über 900 Jahren ein Blutstropfen Christi verehrt wird. Dafür steht auch der jährliche Blutfreitag mit seiner über 500 Jahre alten Reiterprozession, die alle Zeiten und Stürme überdauerte und als die größte Europas gilt. Wenn daher an Orten wie in Weingarten die Grenzen zwischen menschlicher Leistung und göttlichem Wirken zuweilen zu verschwimmen scheinen, liegt gerade darin seine eigentliche Größe und tiefste Bestimmung.
Pfarrer Ekkehard Schmid
Literatur: Schindler, H., Barockreisen in Oberschwaben und am Bodensee. München 1975. – Schnell, H., Weingarten. München 1977. – Dehio, G. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Baden- Württemberg II. München 1997. – Schütz, B., Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580-1780. München 2000. – Schahl, A., Kunstbrevier Oberschwaben. Stuttgart 1961. – Trottmann, H., Cosmas Damian Asam 1686-1739. Nürnberg 1986 – Rupprecht, B., Bushart, B. (Hg.), Cosmas Damian Asam. 1686-1739. Leben und Werk. München 1986.
Fresken
1717 erhielt Cosmas Damian Asam den Zuschlag, die neu errichtete Kloster- und Wallfahrtskirche zu freskieren. Mit über 1000 m2 Fläche sollte dieser Auftrag der umfangreichste seines Schaffens werden und neben Einsiedeln der einzige jenseits von Lech und Iller. Vor allem scheint es Asam die Kuppel angetan zu haben, weshalb er sich um diesen Auftrag sehr bemüht hatte – übrigens zusammen mit seinem Bruder Egid Quirin Asam, der sich, allerdings vergeblich, um die Stuckierung und Auszierung beworben hatte. Beginnend im Chorraum mit der Verehrung des apokalyptischen Lammes entstehen die Fresken, bei denen Cosmas Damian Asam seine bei seinem Vater Georg Asam und durch seine Studien in Rom erlernten Können virtuos entfaltet.
So platziert er über dem Chorgestühl das Pfingstereignis in eine Scheinkuppel bevor er seine ganze Meisterschaft in die Ausmalung der gewaltigen Kuppel legt, welche den das Leid besiegt habenden und in der Glorie des Himmels verherrlichten Christus ins Zentrum stellt. Im für den Barock typischen Lebens- und Glaubensoptimismus wird dann westwärts die Gottesmutter in den Himmel erhoben, begleitet von den kleineren Bildflächen in den Seitentonnen, welche ebenfalls Szenen aus dem Marienleben zeigen. Das nächste Joch ist dem Ordenspatron Benedikt von Nursia gewidmet – mit seiner Verherrlichung im Hauptbild. Asam setzt dabei die Säulen der Basilika wirkungsvoll fort und lässt dadurch den Heiligen in himmlische Sphären entrücken.
Ein stets wichtiges Bildfeld nimmt das Fresko unmittelbar über dem Eintretenden ein – zeigt es doch dem Besucher, wo er ist und warum es diesen Ort gibt. Zumeist findet sich hier die Gründungslegende oder der Stitftungsakt oder – wie hier in Weingarten – die triumphale Präsentation des Wallfahrtszieles: Der Gekreuzigte, dessen Seite im Tod von einem Soldaten durchbohrt wurde, hat das Leid besiegt und das Kreuz buchstäblich hinter sich. Im Zentrum stehend und von der Ostersonne umstrahlt durchquert der Gnadenquell des Kostbaren Blutes das ganze Bild und trifft auf den heiligen Longinus, dessen Lanze Christi Seite durchbohrte und durch den Christi Blut nach Mantua kam und von dort ein Teil schließlich 1094 nach Weingarten.
Er präsentiert dabei die auf dem Paradekissen liegende Heilig-Blut-Reliquie den am unteren Bildrand versammelten Hilfesuchenden, unter denen in der Mitte auch Jakobuspilger zu sehen sind, deren Route immer über möglichst viele Wallfahrtsorte wie Weingarten nach Santiago di Compostella führte.
Indem die Orgelempore geschickt über der Vorhalle platziert wurde, wird der gewaltige Raumeindruck enorm gesteigert, da der Besucher beim Eintreten nicht nur auf einen Blick den gesamten Kirchenraum vor Augen hat, sondern ebenfalls ungehindert nach oben sehen kann zu den Deckengemälden, den Bildern des Himmels.
Damit der Betrachter auch das westlichste und zuletzt entstandene Fresko über der großen Gabler-Orgel betrachten kann, dreht Asam hier die Richtung. Der Chor der Engel bei der Geburt Christi an Weihnachten verbindet sich mit dem Gesang und der Musik der Kirche auf Erden zum Lob Gottes.
Auf den Treppenstufen signiert Cosmas Damian Asam abschließend sein mehrjähriges Schaffen in Weingarten, das mit dieser Szene im Jahr 1720 seinen Abschluss fand.
Altäre
Der 1931 errichtete heutige Hauptaltar mit der eingesetzten Heilig-Blut-Reliquie steht prominent im Zentrum des Kirchenraumes an der Schnittstelle zwischen Kirchenschiff und Chorraum.
Optisch und inhaltlich wird er gerahmt vom Hochaltar am Chorabschluss und den beiden großen Seitenaltären im Kuppelraum. 1718 als gewaltige Stuckmarmoraltäre errichtet, nehmen die Altarblätter Bezug auf die Heilig-Blut-Theologie.
Dass Christus durch sein Blut die ganze Welt erlöst und dem Menschen den Zugang zum Himmel neu eröffnet hat, ist neben der Darstellung der Weingartner Klosterheiligen, das Thema des großen Altarblatts im Hochaltar, welches 1631 von Giulio Benso geschaffen wurde.
Die großen Altarfiguren von Francesco Carlone stellen Bezüge zur Ortsgeschichte her und zeigen von links nach rechts den heiligen Bischof Konrad, der der Legende nach als Welfe aus Weingarten stammt, den heiligen Josef als Patron der oberschwäbischen Benediktinerkongregation, Johannes der Täufer, welcher auf Jesus als das Lamm zeigte, das durch sein Blut die Sünden der Welt hinwegnimmt, und schließlich den heiligen Alto, aus dessen Kloster die ersten Mönche 1056 nach Weingarten kamen. Die Verherrlichung des hl. Benedikt und das Kreuz, an dem der Herr, das Heil der Welt gehangen, bilden die Bekrönung.
Wie die beiden großen Seitenaltäre wird der Aufbau wirkungsvoll durch ein gelb verglastes Fenster durchbrochen, das wiederum bewusst auf den Kathedraaltar im römischen St. Peter verweist, wo Lorenzo Bernini erstmals diese Theatralik schuf.
Mit den Themen Leib und Blut der beiden Seitenaltäre im Kuppelraum wird die Hingabe Jesu bis zum Äußersten erschlossen: Der nördliche Seitenaltar ist dabei dem Blut Christi gewidmet, flankiert von den Assistenzfiguren Petrus und Paulus. Das Hauptblatt von Giulio Benso von 1632 zeigt die Kreuzigung mit Lanzenstoß und führt über das österliche Rundbild zur Verherrlichung der Heilig-Blut-Reliquie. Bewusst wurde unter diesem Altar die Grablege der Welfen angelegt und 1852 erneuert, stiftete Welf IV. doch das Kloster und seine Gattin Judith die Heilig-Blut-Reliquie.
Der Leib-Christi-Altar mit den Assistenzfiguren des Greisen Simeon und der Prophetin Hanna erweist sich als gegenüberliegendes Pendant. Das Altarblatt, von Carlo Carlone 1721 gemalt, präsentiert eindrucksvoll den Leib Christi als vollendete Hingabe, wie er vom Kreuz abgenommen wird.
Darüber wird im Ovalbild dessen Vergegenwärtigung im Abendmahl gezeigt, welches sich im Zeichen der Monstranz verdichtet.
Die Seitenaltäre im Kirchenschiff, alle nicht geostet, sondern zurückversetzt an die Seitenwand gestellt, stammen von Franz Schmuzer und entstanden 1723. Die dazugehörige Kanzel erwies sich allerdings für den Kirchenraum als zu klein und befindet sich heute im nahen Bergatreute.
Die Altarblätter widmen sich paarweise folgenden Themen und Heiligen:
Leben und Glauben als Pilgerschaft (Tod des hl. Josef von Carlo Carlone 1731, sowie gegenüber die Wallfahrt des hl. Johannes Nepomuk nach Altbunzlau von Franz Joseph Spiegler 1738), das Glaubenszeugnis bis zum Tod (Tod des Märtyrers Sebastian sowie die Enthauptung des hl. Jakobus, beide Giulio Benso zugeschrieben) und Marienverehrung (Maria-Hilf-Bild von Innsbruck und die Ordenspatrone Benedikt und Scholastika wie sie die Gottesmutter und das Christkind verehren, ebenfalls beide von Benso).
Lettner, Chorgestühl und Kanzel
Gemauerte Chorschranken, welche im Mittelalter den Priester- oder Mönchschor vom Kirchenschiff trennten, hatten sich in der Barockzeit zu kunstvollen Metallgittern reduziert. 1731 unter Abt Alfons Jobst angeschafft, bildete das Chorgitter ursprünglich eine wirkungsvolle Kulisse für den barocken Heilig-Blut-Altar, der im Zuge der Säkularisation 1803 abgebaut und zerstört wurde. Der im 19. Jahrhundert funktionslos gewordene Lettner wurde schließlich 1931 an seinen heutigen Standort versetzt.
Damit rückt das dreireihige Chorgestühl ins Blickfeld, deren bekrönende Figuren Benedikt, Scholastika, Maurus und Placidus unverkennbar die mitwirkende Meisterschaft von Joseph Anton Feuchtmayer am Chorgestühl erkennen lassen. Die mit Engelshermen und Puttenköpfen markant gegliederte Rückwand sollte die dort täglich regelmäßig betenden Mönche an das Psalmwort erinnern: „Im Angesicht der Engel will ich dir lobsingen.“
Mit der Errichtung der großen Kanzel durch Fidel Sporer kam im Jahr 1762 die Ausstattung der 1717 begonnenen Barockbasilika zum Abschluss. Die als für den Prediger zur großen Bühne komponierten Kanzel, deren verborgener Zugang effektvoll durch den Pfeiler erfolgt, zeigt die Bedeutung, welche Gottes Wort zukommt. Der Kanzelkorb wird dabei nicht nur von den vier Evangelistensymbolen geziert, sondern auch von Medaillons, welche neben der Predigt des Zwölfjährigen Jesus im Tempel und der Bergpredigt Jesu auch die Pfingstpredigt des Petrus zeigen. Dazu kommen die vielfältig agierenden Engel und Putten. Sie werden gleichsam zu Dienern, welche durch Zurückschlagen des Vorhangs der göttlichen Offenbarung behilflich sind. Nicht nur weil Johannes der Täufer einer der wirkmächtigsten prophetischen Prediger war, bekrönt er den Schalldeckel. Vielmehr verweist sein ausgestreckter Finger und sein auf die Zuhörer gerichtete Blick auf seine Christusbezogenheit, war er es doch, der im Johannesevangelium als erster die Jünger auf Christus aufmerksam machte mit den Worten: „Seht, das Lamm Gottes“ weshalb ein Lämmlein als Christussymbol zu seinen Füßen von kindlichen Putten liebkost wird.
Glocken
Glocken haben eine doppelte Funktion. Zum einen bilden sie mit dem Schlagwerk einen Teil der Turmuhr. Mithilfe eines Hammers, der zur viertel, halben und vollen Stunde auf den Glockenrand schlägt, wird die Uhrzeit mitgeteilt. Zum anderen läuten die Glocken entsprechend einer festgelegten Läuteordnung. Mit ihrem Geläut laden sie die Gläubigen zu den Gottesdiensten ein oder läuten am Vorabend – in Weingarten um 16.00 Uhr – die Sonn- und kirchlichen Feiertage ein.
Daneben gliedern und heiligen sie aber auch den Tag durch das Gebetsläuten am Morgen, am Mittag und am Abend (in Weingarten um 7.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr). Dieses sog. Angelusläuten verbindet mit dem Morgen die Auferstehung Christi, mit dem Mittag seinen Tod am Kreuz und mit dem Abend seine Geburt. Das dem Angelusläuten seinen Namen gebende Gebet findet sich im Gotteslob (Nr. 3,6). Es betet am Besuch des Engels Gabriel bei Maria entlang und dem damit verbundenen Zur-Welt-Kommen des Sohnes Gottes. Um den Menschen aus seinem Trott herauszureißen und damit er mit Gottes Zuwendung rechnet, hält die Kirche an diesem Läuten und Gebet aus gutem Grund fest.
Die Glocken im Nordturm:
Hosannaglocke von 1490 / h0 / 4442 kg
Gloriosaglocke von 1993 / a0 / 6190 kg
Die Glocken im Südturm:
Salzglocke von 1519 / cis
Salvatorglocke von 1957 / e
Konradsglocke von 1957 / fis
Benediktusglocke von 1748 / gis
Piusglocke von 1957 / h
Josefsglocke von 1747 / cis
Die Glocken im Dachreiter (nur von Hand zu läuten):
Dreikönigsglocke von 1788
Schutzengelglocke von 1957
Heilig-Blut-Glocke von 1624